Björn Vedder: Das Befinden Auf Dem Lande. Verortung Einer Lebensart

Lebst du auf dem Land oder in der Stadt? Wenn du eher ländlich lebst, was sind die Vorzüge davon, warum kannst du dir ein Stadtleben nicht so richtig vorstellen? Und wenn du urban wohnst, was hält dich davon ab, aufs Land, ins Grüne zu ziehen?

Mit dem Buch „Das Befinden auf dem Lande. Verortung einer Lebensart“ hat mich der Autor Björn Vedder auf unterhaltsame, aber sachliche Art und Weise zum Denken angeregt.

Unsere Städte werden zwar immer größer, doch mehr und mehr Menschen bevorzugen den Rückzuck aufs Land. Björn Vedder ebenfalls, er ist „auf ein Dorf“ gezogen, wie man so schön sagt. Und mit seinem Essay zur „Provinz“ gibt er neue Denkanstöße, die deutlich machen: so perfekt und idyllisch ist das Leben auf dem Land nicht

Wer glaubt, auf dem Land gibt es weniger Statussymbole, weniger Konsum, weniger Neid, weniger Mainstream, der täuscht sich. Diese Themen spricht Vedder eindrucksvoll an und widerlegt diese Thesen. Er hat Recht. Ich selbst habe bis zu meinem 21. Lebensjahr auf dem Land gelebt, auf einem Dorf, welches zu einer Kleinstadt gehört mit 26.000 Einwohnern. Dann zog es mich in die Großstadt. Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass dort viel weniger Status und Materielles zählen, die Menschen offener sind, es kaum Sozialneid oder den Druck des Anpassens gibt. Ich fühlte mich dort freier. Da ich ein Mensch bin, der nicht mit der Masse mitschwimmt und sich nicht immer dem Mainstream unterordnen mag, bin ich auf dem Land eine Aussenseiterin. Das habe ich in der Schule zu spüren bekommen. Vor 10 Jahren bin ich dann aus der Großstadt zurück aufs Dorf gezogen. Ich liebe die Idylle hier, die Natur- aber ich sah mich sofort wieder den typischen Phänomenen der ländlichen Gesellschaft gegenüber gestellt. Ich war plötzlich „die Städterin“. Und danach beurteil man mich bis heute nicht, man verurteilt mich. Klatsch & Tratsch sind hier an der Tagesordnung, Verachtung und Isolierung kenne ich zu gut. Und genau diese Punkte hat der Autor aufgegriffen und schildert sie schonungslos und mit ganz viel schwarzem Humor. Ich mag diesen Humor.

Aber auch Vedders Schreibstil ist extrem gut lesbar. Er vermischt seinen schwarzen Humor mit Formulierungen, die auf den Punkt sind und so gut zutreffen. Hinzu kommt schonungslose Ehrlichkeit, mit der er die tatsächlichen Zustände auf dem Land offenbart. Für mich sind sie keine Überraschung, aber er räumt damit mit diesem Mythos vom perfekten Landleben auf. Wie schon im Klappentext erwähnt, „entzaubert“ er das Bild vom Land, von der Idylle.

Natürlich beeinflusst mich sein Buch nicht. Ich mag das Leben hier trotzdem lieber als in der Stadt. Die Ruhe ist für mich so wichtig und ich habe hier auch wirkliche, echte Freunde, die ich seit dem Kindergarten keinne und die mich akzeptieren, wie ich bin. Die mir meinen „großen Wegzug“ in die „Großstadt“ verziehen haben.

Wer Lust hat auf eine humorvolle, teilweise böse, aber doch sehr realistische Demontierung der Landflucht hat, der ist mit diesem Buch sehr gut bedient. Und für uns „Landeier“ ist es ein echter Denkanstoß.